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Alte Stahlgießerei "G. Krautheim AG"

https://flic.kr/p/8rv4yc by Uwe Kaufmann

Gustav Adam Krautheim wurde als Sohn eines Knopfmachers 1857 im böhmischen Asch geboren und kam im Jahr 1888 in die aufstrebende Industriestadt Chemnitz. Vor allem die Eisenbahnindustrie verlangte nach Werkstoffen mit hoher Festigkeit und Zähigkeit, wie Temperguss und Stahl. Und so meldete Gustav Adam Krautheim am 29.11.1888 eine Tiegelstahl- und Tempergießerei in der Zwickauer Straße 106 im Handelsregister an.

Bereits 1891 erfolgte aufgrund des gestiegenen Bedarfs eine Betriebsverlegung nach Altendorf, worauf in Chemnitz eine industrielle Massenproduktion gegossener Stahlteile erfolgte. „Im Oktober 1915 begann in Borna der Bau eines weiteren Gießereiwerkes. 1916 nahm Krautheim die damals bedeutendste sächsische Stahlformgießerei in Betrieb. Sie war für die modernsten Verfahren der Stahlerzeugung mit einem Bessemer-, einem Siemens- Martin- und einem Elektrostahlwerk ausgerüstet und für eine Jahresleistung von 12.000 t ausgelegt. Haupterzeugnisse in Borna waren u. a. Zahnräder, Gesenke, Brecherbacken, Kammwalzen, Walzenringe, Laufräder, Kolben, Ventil- und Dynamogehäuse sowie Achslager und Kupplungsteile für Schienenfahrzeuge.“ (Zitat: http://www.chemnitzgeschichte.de/bdst-top/borna-heinersdorf ; abgerufen am 28.04.2020)

Nicht in Vergessenheit geraten darf jedoch die Tatsache, dass die Gründung des Werkes an der Sandstraße zur Zeit des Ersten Weltkrieges (1914–1918) erfolgte und der immense Bedarf an Stahl in der Rüstungsindustrie ein Teil der Erfolgsgeschichte und schnellen Inbetriebsetzung der Gießerei gewesen sein dürfte.

Bereits im Jahr 1926 gehörte der Betrieb in Borna nach Berlin und Magdeburg zu den drei größten ostdeutschen Stahlformgießereien und auch im darauffolgenden 2. Weltkrieg wurde die Stahlgießerei erneut ein bedeutender Teil der Rüstungsindustrie, z.B. für die Fertigung von Granatenhülsen. So verwundert es nicht, dass auch die Stahlgießerei Ziel der Bombenangriffe von 1945 wurde.

Nach Kriegsende sollte die Gießerei auf Befehl der Sowjetischen Militäradministration demontiert werden. "Der Demontagebefehl […] wurde bereits im Oktober 1945 wieder aufgehoben, da die Gießerei Kriegsreparationen besser mit Stahlformguss leisten konnte. Die Militäradministration gliederte das Bornaer Werk der sowjetischen Aktiengesellschaft in die SAG Marten ein. Die Aufschrift SAG Marten ließ sich bis zum Abriss 2013 am Nordwest-Giebel des Erweiterungsbaus der Gießereihalle lesen. Der Begriff Marten kann aus dem Siemens-Martin-Ofen abgeleitet werden. Aus dem französischen Namen Martin wurde in der russischen Sprache Marten. Durch die SAG fand er den Weg an die Giebelwand der Gießerei in Chemnitz. Der Begriff Siemens fehlt, da er in der russischen Fachsprache für diese metallurgischen Öfen unüblich ist." (Zitat: https://web.saechsisches-industriemuseum.com/fileadmin/data/Chemnitz/Infothek/Museumskurier/kur_37.pdf ; abgerufen am 28.04.2020)

1954 wurde die Stahlgießerei in Volkseigentum überführt und es folgten verschiedene Einordnungen in das Wirtschaftssystem der DDR:

1963 - Sitz und Leitung in der Struktur des VEB Gießerei R. Harlaß,
1969 - Gründung des Kombinats Stahlguss Karl-Marx-Stadt,
1978 - Zuordnung der Stahlgießerei zum Kombinat Gießereianlagenbau und Gusserzeugnisse GISAG Leipzig,
1987 - Eingliederung der Stahlgießerei in das Kombinat Schienenfahrzeugbau in Berlin
1990 - Eisen- und Stahlgießerei Chemnitz GmbH

Ab den 1970er Jahren wurden in der Stahlgießerei Mahlkugeln für die Zementindustrie produziert. „Ein hoher Chromgehalt zwischen 12 bis 19 % sowie eine geeignete Wärmebehandlung verbesserte auf ein Vielfaches den Verschleißwiderstand gegenüber den von bisher in der DDR geschmiedeten Mahlkugeln für Zementmühlen. Die Mahlkugeln und das vorhandene Know-how für Verschleißwerkstoffe halfen bei der Firma Christian Pfeiffer Beckum, einem anerkannten Zementanlagenausrüster, Fuß zu fassen. Am 1. Januar 1992 erwarb deren Eigentümer die Gießerei, sie hieß nun Christian Pfeiffer Chemnitz GmbH. Die Kapazitäten für Verschleißguss konnten in den Jahren 1993/94 weitgehend ausgelastet werden. Meinungsverschiedenheiten unter den Eigentümern führten in eine gegenseitige Konkurrenzsituation und 1995 zur Trennung der Be-triebe in Chemnitz und Beckum/Nordrhein-Westfalen. Ab diesem Zeitpunkt wirkte die Chemnitzer Gießerei auf sich allein gestellt unter dem Namen Brockhausen und Holze. Ihre schärfsten Konkurrenten waren der Weltmarktführer Magotteaux aus Belgien und die Beckumer Firma Christian Pfeiffer GmbH. Diesem Druck hielt sie nicht stand, sich erschöpfende Finanzierungsquellen trieben die Gießerei im Mai 1997 in den Konkurs. Etwa 300 Mitarbeiter verloren ihren Arbeitsplatz. Mit verringerter Belegschaft von ungefähr 150 Beschäftigten, einem speziellen Fertigungsprogramm, erweitert um Engineering-Leistungen, wagten die Eigentümer der Brockhausen und Holze GmbH einen Neuanfang und die Firma konnte sich zunächst auf dem Markt behaupten. Die Krise in der Bauwirtschaft 2002 und 2003 zwang zur Schließung von Zementwerken mit drastischen Auswirkungen auf die Stahlgießerei. Mangelnde Aufträge, Fehlentscheidungen im Management sowie eine wachsende Verschuldung führten 2003 zur erneuten Insolvenz. Im Januar 2004 wurde die letzte Charge Mahlkugeln aus hochlegiertem Hartguss unter Insolvenzverwaltung gegossen. In den ungenutzten Gebäuden führte die Verwahrlosung dazu, dass für das Verwaltungsgebäude 2014, für die ehemaligen Putzereihallen 2008 und für die ehemalige Gießereihalle 2012 die Abrissgenehmigungen erteilt werden mussten. Der Abbruch der Gießereihalle erfolgte im November 2013. Somit endete die Gießereigeschichte am Standort Chemnitz-Borna, die im Jahr 1916 begonnen hatte, nach 88 Jahren aktiver Tätigkeit.“ (Zitat: https://web.saechsisches-industriemuseum.com/fileadmin/data/Chemnitz/Infothek/Museumskurier/kur_37.pdf ; abgerufen am 28.04.2020)

Einige Jahre später ist in der der Liste der Kulturdenkmale in Chemnitz-Borna-Heinersdorf das Werk an der Sandstraße als „größte und in ihrer Geschlossenheit beeindruckende historische Gießerei mit einheitlicher Gestaltung in klassizierenden Formen“ beschrieben. (Quelle PDF: Liste der Kulturdenkmale in Chemnitz-Borna-Heinersdorf, Objekt-ID 09204619 ; abgerufen am 28.04.2020)


Luftaufnahme Stahlgießerei Krautheim (Mai 2010)

Heute befinden sich auf dem Gelände - neben einigen angesiedelten Firmen - noch eine gepflegte Grünanlage mit einem Gedenkstein für die Opfer des Faschismus und einer weiteren sehr interessanten Skulptur aus Stahl.


Skulptur aus Stahl auf dem Gelände der alten Stahlgießerei Krautheim AG Chemnitz-Borna

Wie radikal der Zahn der Zeit an dem geschichtsträchtigen Gelände nagt, zeigen einige schöne Bildaufnahmen auf der folgenden Seite "Lost Place Krautheim".

Alte Stahlgießerei "G. Krautheim AG"
Industrieverein iscn e.V.
Historische Fotos
Lost Place Krautheim